Ukiyo-e bedeutet wörtlich "Bilder der fließenden Welt" und bezieht sich auf einen Stil des japanischen Holzschnitts aus der Edo-Zeit, der berühmte Schauspieler, schöne Kurtisanen, Reisen in romantische Landschaften und erotische Szenen darstellt.
In diesem Artikel erfährst du alles zur japanischen Kunst des Ukiyo-e:
- Die Ursprünge der Kunstform
- Wie sich Ukiyo-e im Laufe der Zeit gewandelt hat
- 7 bekannte Ukiyo-e Darstellungen aus den letzten 4 Jahrhunderten
Wie die Ukiyo-e Bilder entstanden sind
Ursprünglich war Ukiyo ein buddhistischer Begriff, um die Vergänglichkeit des menschlichen Lebens auszudrücken. Während der Edo-Zeit von 1615-1868 bezog sich Ukiyo jedoch auf die sinnlichen und lustbetonten Freuden der Menschen, die sie aufgrund ihrer sich ständig verändernden Eigenschaften umso mehr ansprachen.
Wissenswert:Die schwebende Welt, wie die Vergnügungsviertel von Edo (dem heutigen Tokio) genannt wurden, beschreibt die sinnlichen Freuden des Stadtlebens, dient aber auch als Erinnerung an die Flüchtigkeit der menschlichen Begierden.
Im sechzehnten und siebzehnten Jahrhundert entstand Ukiyo-e auf handbemalten Schriftrollen und Tafeln des täglichen Lebens. Auf den Gemälden wurden oft beliebte Freizeitaktivitäten wie der Straßentanz, Kirschblütenbesichtigung und schöne Frauen dargestellt, die sich vergnügten.
Bis dahin waren die meisten Maler beauftragt worden, religiöse Gemälde, Illustrationen auf höfischen Schriftrollen anzufertigen. Im Gegensatz dazu hat dieses neue Ukiyo-e Gemälde die soziale Klasse der Kaufleute und Handwerker (Chonin) besonders. Um der steigenden Nachfrage gerecht zu werden, wurde Ukiyo-E Ende des siebzehnten Jahrhunderts als serielle Drucke auf Holz produziert.
Der Holzschnitt kam im achten Jahrhundert nach Japan und wurde vom elften bis zum neunzehnten Jahrhundert zum wichtigsten Druckverfahren. Wie auch in China wurde die Technologie zunächst zur Vervielfältigung buddhistischer Texte und später zur Vervielfältigung von Büchern chinesischer Herkunft eingesetzt. Erst in den 1500er Jahren wurden Bücher gedruckt, die ursprünglich auf Japanisch erschienen sind. Schwarzweiß-Illustrationen waren ein Teil dieser frühen Texte, denen manchmal Farbe von Hand hinzugefügt wurde.
Im Jahr 1765 entstanden dann auch farbige Drucke, dadurch, dass sich die Drucktechniken verbesserten. Die ersten farbigen Drucke in Japan waren Originalkunstwerke, was bald zur Veröffentlichung des beliebten, einzelblättrigen Ukiyo-e führte.
Die Einzelblattdrucke wurden in großen Mengen für den Bedarf gewöhnlicher Bürger hergestellt und von Straßenverkäufern und Händlern für wenig Geld verkauft.
Als ihr Leben ein wenig ruhiger wurde und sie es sich leisten konnten, mehr Aktivitäten zu unternehmen, wurde Ukiyo-e die begehrteste Kunstform unter den Bürgern Japans. Um den auffälligen Konsum der Handelsklasse zu kontrollieren, verabschiedete die Regierung regelmäßig Verordnungen, die die Größen, Themen und Materialien von Ukiyo-e einschränkten. Im Jahr 1799 zensierten sie sogar einig Drucke, um sicherzustellen, dass die Motive nicht unmoralisch oder politisch beeinflusst waren.
Ukiyo-e im Wandel - Farben und Kompositionen
In dieser marktgesteuerten Form der Kunst kam es oft zu stilistischen Veränderungen. Die frühesten Drucke waren Schwarz-Weiß, wobei die späteren Drucke von Hand bemalt wurden. Da die manuelle Einfärbung zu zeitaufwendig war, um Drucke in größeren Mengen zu produzieren, wurden Techniken entwickelt, um einen mehrfarbigen Holzdruck zu ermöglichen.
Bis 1765 entwarfen Künstler wie Harunobu mehrfarbige Drucke, die als nishiki-e oder "Brokatbilder" bezeichnet werden. Die Ergänzung um weitere Farben führte zu realistischeren und ausdrucksstärkeren Drucken. Pigmente für diese Drucke waren wasserlösliche Farbstoffe auf pflanzlicher Basis, die eine weiche Farbpalette erzeugten. Künstler und Drucker arbeiteten gemeinsam an immer feineren Ergebnissen. Ein metallisches Pulver namens Glimmer wurde manchmal zu den Farben hinzugefügt, um eine schimmernde Oberfläche zu erzeugen.
Zur Zeit von Hokusai und Hiroshige wurden Ukiyo-e Drucke mit bis zu zwanzig verschiedenen Farben produziert, die alle einen eigenen geformten Druckblock benötigten. Künstler versuchten ständig, sich in ihren Drucken gegenseitig zu übertreffen, nicht nur mit schönen Farben, sondern auch mit cleveren Kompositionen.
Bekannte Ukiyo-e Kunstwerke der letzten Jahrhunderte
Die folgenden Kunstwerke wichtige Beispiele des Ukiyo-e. In der Übersicht finden sich sowohl die wichtigsten Arbeiten der einzelnen Künstler, als auch die wichtigsten Eigenschaften und Entwicklungen des Ukiyo-e im Laufe der Jahrhunderte.
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Hishikawa Moronobu, Zwei Liebende, um 1675-1680
Hishikawa Moronobu, Two Lovers, ca. 1675–80
Beschreibung und Analyse des Kunstwerks: Dieser Druck, der eine in der japanischen Kunst beliebte Luftperspektive einsetzt, zeigt zwei Verliebte, einen Samurai-Krieger, dessen Schwert im Vordergrund neben ihm liegt, und eine Frau, deren weggeworfenes Musikinstrument im rechten Mittelgrund liegt.
Über dem Musikinstrument scheint ein Gewand durch die Luft zu schweben, als wäre es gerade erst abgelegt worden. Der Raum wird in elementaren Formen durch horizontale und vertikale Linien dargestellt, die sich im Paar kreuzen. Auf der linken Seite ist durch eine offene Fläche ein Balkon zu sehen.
Die Familie des Künstlers war im Textilgeschäft tätig und er wandte sein Wissen im Muster der Roben an, aber auch in seinem Verständnis davon, wie sich der Stoff fällt, wenn er sich am menschlichen Körper bewegt. Seine Beherrschung der Strichführung entstand aus seinem Verständnis der Kalligrafie, wie hier in der unterschiedlichen Dicke bei der Erstellung der Figuren präsentiert wurde.
Während sich die Ärmel und Gewänder der Liebenden in parallelen Linien zueinander bewegen, beginnen Stoff und Figuren dort zu verschmelzen, wo sich die Körper berühren.
Suzuki Harunobu, Gedicht von Fujiwara no Motozane, ca. 1760
Beschreibung und Analyse des Kunstwerks: In diesem Druck dreht sich eine junge Frau, um über ihre Schulter zu schauen und hebt ihre rechte Hand, als ob sie ihren Sohn davon abhalten würde, ein kleines Küken zu jagen. Entlang eines Zauns blühen weiße Unohana-Blüten, was darauf hindeutet, dass dies ein Frühsommer-Bild ist.
Im oberen Teil des Drucks sind einige Worte in einer Art Wolke geschrieben.
Die Worte können ins Deutsche übersetzt werden als:
" Sie blühen nun in unserem Bergdorf,
die Unohana-Blüten sehen aus wie Schneeflocken,
die noch in der Hecke verweilen."
Die fließenden Linien der Figuren krümmen sich von rechts nach links und bilden einen Kontrast zu den blühenden Zweigen, die sich von links nach rechts krümmen. Horunobu verschmolz oft Außen- und Innenwelten, um ein Gefühl der natürlichen Harmonie zu schaffen.
Sein bahnbrechender Naturalismus, der eine Mutter und ein Kind in alltäglicher Umgebung darstellt, macht diese Arbeit so beeindruckend. Dieses Kunstwerk stellt eine häusliche Szene dar, wie sie später für das Ukiyo-e typisch wurde: Eine Szene zwischen Mutter und Kind mit einer Betonung auf der Linie und Design, beeinflussten unter anderem die Werke von Mary Cassatt.
Der Druck veranschaulicht auch Horunobus dezente Verwendung von Farbe. Die begrenzte Anzahl von Farben vereint die Komposition und schaffen ein Gefühl von pulsierendem Leben.
Kitagawa Utamaro, Das Gedicht des Kissens, 1788
Beschreibung und Analyse des Kunstwerks: Das Gedicht des Kissens beinhaltet 12 Bilder in einem zusammenklappbaren Buch. Dies ist der zehnte Druck der Serie, der zwei Liebende in einem Café darstellt. Die Frau lehnt sich mit dem Rücken zum Betrachter zurück, während sich ihr Oberkörper zu ihrem nackten linken Bein hinbewegt. Vor ihr lehnt sich ein Mann zu einem Kuss, seine Gestalt strömt über ihre, während seine nackten Beine auf ihre treffen.
Durch den transparenten schwarz-weißen Stoff seines Gewandes berühren sich ihre Körper, während ihr linker Fuß hinter seinem Bein nach oben ragt. Die subtile Farbpalette der roten und schwarzen Muster vermittelt eine Tiefe des Gefühls, während im Hintergrund ein Balkongeländer, eine gelbe Jalousie und eine grüne Pflanze ein Gefühl der Privatsphäre schaffen. Dieses Gefühl wird von zwei weiteren Elementen in dem Motiv verstärkt: Der Tee und die Schale mit den Lebensmitteln rechts vermitteln ein Gefühl der Intimität.
Mehr als die Hälfte von Utamaros Drucken waren Shunga. Von vielen japanischen Kunsthistorikern wird er als der größte Meister des Genres angesehen.
Die Grafik "Das Gedicht des Kissens", oder "Utamakura", wurde von einem Gedicht eines klassischen japanischen Dichters abgeleitet. Die Worte können ins Deutsche übersetzt werden als:
"Sein Schnabel ist fest gefangen / In der Muschel / Die Schnecke kann nicht wegfliegen / Von einem Herbstabend."
Die Vielzahl erotischer Bilder in Shunga-Drucken hatte einen starken Einfluss auf europäische Künstler, insbesondere Audrey Beardsley, Henri Toulouse-Lautrec und Pablo Picasso. Die ungefilterte Behandlung der Sexualität wurde in den Geist der europäischen Kunst überführt.
Tōshūsai Sharaku, Kabuki Schauspieler Ōtani Oniji III als Yakko Edobei, 1794
Beschreibung und Analyse des Kunstwerks: Dieser faszinierende Druck, der den berühmten Schauspieler Otani Oniji II in Dreiviertelansicht darstellt, vermittelt mit kräftigen Linien und vereinfachten Elementen ein Gefühl rücksichtsloser Boshaftigkeit. Als böser Diener Yakko Edobei, der nur allzu gerne die Befehle seines Samurai-Meisters ausführte, wird der Schauspieler hier zum Synonym für seine Rolle, während er sch in einem Moment extremer Emotionen mit dem dramatischen Gesichtsausdruck befindet, für den Kabuki so bekannt war.
Die weiße Haut wird durch die umgebenden schwarzen Umrisse seines Gewandes und seiner Haare hervorgehoben, während seine Hände aus seinem Körper hervorschnellen. Auch das Weiß seiner nackten Brust formt sich zu seinem aggressiven, lüsternen Ausdruck. Vor einem grauen Hintergrund wirkt die Figur flach, fast ausgeschnitten in ihrer psychologischen Darstellung.
Sharaku ist eine etwas mysteriöse Persönlichkeit, die keiner Identität gewiss zugeordnet werden kann, sein Geburtsdatum und sein Tod sind ungewiss. Er war nur von 1794-1795 im Bereich des Ukiyo-e tätig, und die meisten der 140 ihm zugeschriebenen Grafiken zeigen Schauspieler. Zu Lebzeiten erregte sein Werk bereits viel Aufmerksamkeit, war aber auch häufig kritisiert, aufgrund seines kühnen und oft wenig schmeichelhaften Realismus. Doch seine energetischen Kompositionen mit ihrer unerschütterlichen Erkenntnis haben dazu geführt, dass er später als der große Meister des Yakusha-e angesehen wird.
Katsushika Hokusai, Der Traum der Fischerfrau, um 1814
Beschreibung und Analyse des Kunstwerks: Der Traum der Fischerfrau ist ein Holzschnitt, der in einem dreibändigen Erotik-Buch namens Kinoe no Komatsu erschienen ist und zum berühmtesten Shunga-Motiv von Hokusai geworden ist. Das Werk zeigt eine Muscheltaucherin, die sich in den Tentakeln von zwei Tintenfischen "verfangen" hat. Die Frau scheint große Freude an dem Austausch zu haben, was durch ihre entspannte Miene betont wird.
Im Text im oberen Abschnitt des Drucks sagt der große Oktopus, dass er das Mädchen zum Drachengott des Meeres, Ryūjin, bringen wird.
Das Stück wurde angeblich von einer Geschichte aus der Zeit inspiriert, die oft in der Ukiyo-e Kunst auftauchte. In der Geschichte ist Prinzessin Tamatori eine junge Muscheltaucherin, die mit Fujiwara no Fuhito verheiratet ist und nach einer Perle sucht, die seiner Familie von Ryūjin gestohlen wurde. Als sie unter Wasser taucht, um die Perle zurückzugewinnen, verfolgt sie eine Armee von Meerestieren. Sie flüchtet mit der Perle, indem sie ihre Brust aufschneidet und sie darin versteckt, stirbt aber kurz nach Erreichen der Oberfläche an ihrer Wunde.
Katsushika Hokusai, Die große Welle vor Kanagawa, 1830-32
Beschreibung und Analyse des Kunstwerks: Dieser international bekannte Druck stellt eine große Welle dar, die sich vor dem Berg Fuji auftürmt. Gemalt in Hokusais bevorzugtem Preußischblau, fängt die stilisierte dargestellte Welle genau in diesem Moment an zu brechen.
Die Welle füllt fast die gesamte linke Seite der Leinwand, und ihre Energie scheint den Berg Fuji zu verschlingen. Dieser Effekt entsteht durch die raffinierte Nutzung der Perspektive und die Nutzung eines Horizonts im unteren Drittel des Bildes. Unter den Wellen sind eine Reihe von japanischen Booten zu sehen, die die Linien der Wellen widerspiegeln. Die Szene hat eine drohende Energie, die den Moment kurz vor dem Wellenbruch darstellt.
Die Erzählungen, die aus japanischer Literatur, Folklore oder dem Volksglauben stammen, waren die wichtigste Inspiration für Motive im Ukiyo-e.
Der Berg Fuji, der höchste Berg Japans, wurde traditionell als Symbol der Unsterblichkeit wahrgenommen. In dieser Darstellung wird die Bedeutung des Fujis allerdings umgekehrt. Es wirkt so, dass die über dem Berg Fuji thronende Welle darauf hindeutet, als sei die Idee der Unsterblichkeit so vergänglich wie die Boote, die im nächsten Moment überflutet und auseinandergerissen werden.
Utagawa Kuniyoshi,Die Hexe Takiyasha und das Skelettgespenst,aus Geschichte von Utö Yasutaka, um 1843-1847
Beschreibung und Analyse des Kunstwerks: Dieses Triptychon, das eine Szene aus der Geschichte von Utö Yasutaka darstellt, schafft ein dramatisches Panoramabild. Ein lebhaftes Skelett füllt die rechte Außenseite und dehnt sich bedrohlich in die Mitte aus, um über den zusammengedrängten Oya Taro Mitsukuni und seinen Begleiter zu ragen. Im linken des Werks hält Prinzessin Takiyasha eine Schriftrolle, aus der sie den Zauber zum Beschwören des Skeletts vorträgt.
Die Prinzessin war die Tochter eines Kriegsherrn, der bei der Rebellion gegen den Kaiser getötet worden war. Anschließend wurde Mitsukuni vom Kaiser geschickt worden, um die Herrschaft über die Burg zu übernehmen. Die diagonalen Linien des Fußbodens, die von der linken Tafel nach rechts verlaufen, erzeugen Bewegung, ziehen den Blick des Betrachters auf das Skelett auf der rechten Seite und verbinden die drei Tafeln. Die Vorhänge in der linken Tafel ragen in die Mitte hinein und unterstreichen zusätzlich die Angst der beiden Männer, während Mitsukuni ihr weißes Gesicht zum Skelett hin dreht.
Der Künstler Kuniyoshi kombiniert eine traditionelle Geschichte mit modernen anatomischen Kenntnissen. Seine anatomische Genauigkeit, die er aus westlichen Zeichnungen ableitete, kombiniert er mit einem japanischen Gefühl der Ästhetik. DKuniyoshi war dafür bekannt, Szenen aus der traditionellen japanischen Kultur und Folklore mit westlichen Elementen zu kombinieren, um psychologisch ausdrucksstarke Ergebnisse zu erzielen.